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Die Unverletzlichen von Paderborn

Klanginstallation

Benita Jowig

aus: Katalog, Antworten.
Heimat – Fremde – Flucht – Asyl.

Ein Kunst- und Seminarprojekt der Universität Paderborn

Fachbereich Evangelische Theologie

Paderborn 1999/2000

 
 
Die Unverletzlichen von Paderborn
  Klanginstallation

Auf den bekannten Satz: "Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl des Schwächeren". stoßen Sie immer wieder, wenn es um Fragen nach sozialer Gerechtigkeit geht.

Unter "Schwächeren" werden in diesem Zusammenhang in der Regel Sozialhilfeabhängige, Arbeitslose, Obdachlose, Flüchtlinge, Asylsuchende verstanden. Ich weiß nicht, ob Sie Menschen näher kennen (oder kennengelernt haben), die gesellschaftlich in einer schwächeren Position sind als Sie selbst.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass solche Menschen oft von staatlicher und nichtstaatlicher Seite geschwächt werden. Andererseits haben sie Stärken, entwickeln oft immense Kräfte, um zu existieren, haben Geduld und geben nicht auf. Die Aufteilung schwach-stark missfällt mir, weil eine menschenunwürdige Aufteilung und eine Hierarchisierung in starke und schwache Menschen suggeriert wird. Der Blick des sogenannten "Stärkeren" unterliegt einer pseudo-karitativen Perspektive und kann nur halbherzige Handlungen nach sich ziehen.

In diesem Seminar gehen wir handelnd auf Menschen zu, deren Lebenssituation auch von Armut, Ausgrenzung und Abhängigkeit geprägt ist.
Wir bewegen uns auf einer ästhetisch-poetischen, biblisch-theologischen und spirituellen Ebene.

Die "Antworten", die wir im Zuge des Seminars veröffentlichen, stehen einer pseudo "Starkes Volk und schwache Glieder – Solidarität" entgegen.
Grundlegend hierfür ist unsere Wahrnehmung.
Beverly Harrison, eine amerikanische Ethikerin, sagt: "Wenn wir nicht lernen, mit unserem Körper wahrzunehmen, können wir nicht ethisch handeln."
Es geht um unsere Wahrnehmungsstrategien, insbesondere um unser Verständnis von Fremde und Fremden, Heimat, Asylsuchenden und Flüchtlingen. Es geht um die Infragestellung und mögliche Aufgabe von Wahrnehmungs- und Deutungsmustern, an die wir uns gewöhnt haben und die uns Sicherheit geben, uns zu verhalten bzw. nicht zu verhalten.

Wahrnehmen heißt: wieder hinsehen, hinhören, erneut empfinden, darauf gefasst sein, dass dem Vertrauten "Fremdes" zugemutet wird, dass es eben "anders" kommen kann, dass die täglichen Nachrichten über Fremde, Flüchtlinge und Ausländerinnen unsere Wahrnehmung nicht daran hindern, etwas zu tun, Verdacht zu schöpfen und zuzulassen, dass die Fremden fremder sind, als wir es uns vorgestellt haben. Der Begriff "Heimat" ist für unsere Arbeit zentral, weil wir selbst davon betroffen sind. Sind wir hier als anerkannte Deutsche "beheimatet"? Was stellen wir uns 1998 unter Heimat vor? Nach wem oder was verspüren wir eigentlich Heimweh? Und - sind wir uns nicht manchmal selbst die Fremdesten?

Vaclav Havel, der tschechische Staatspräsident, sagt von dem Wort "Heimat", dass es keine abgeschlossene Struktur bezeichne, sondern das Gegenteil: Eine Struktur, die öffne, eine Brücke zwischen den Menschen und dem Weltall, ein Leitfaden, der vom Bekannten auf das Unbekannte, vom Verständlichen auf das Geheimnisvolle, vom Konkreten auf das Allgemeine weise.
Die Heimat sei der feste Boden unter den Füßen, auf dem der Mensch stehe, wenn sie oder er sich zum Himmel ausrichte.
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